Die Zukunft von VR und AR – Wie nah sind wir an Sword Art Online?

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Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) gelten als revolutionäre Technologien, die den Spielemarkt nachhaltig verändern. Ihr Potenzial reicht jedoch weit über einfache Spielereien hinaus: Von der Industrie bis zur Medizin gibt es zahlreiche Anwendungsfelder. Doch besonders für Gamer ist die Frage spannend, wann wir tatsächlich in völlig neue, virtuelle Welten eintauchen können – ganz so, wie es uns die Anime- und Light-Novel-Serie „Sword Art Online“ (SAO) vormacht. Obwohl wir mittlerweile Headsets wie Oculus Quest, HTC Vive oder PlayStation VR nutzen können, scheint der Traum vom Full-Dive-Game, das Körper und Geist vollkommen in eine andere Welt entführt, noch in weiter Ferne. Oder etwa nicht? Dieser Artikel beleuchtet die kommenden Entwicklungen in VR und AR, zieht Parallelen zum MMORPG-Universum von Sword Art Online und wagt eine realistische Einschätzung, wann solche tiefgreifenden Erfahrungen Wirklichkeit werden könnten.


Sword Art Online als Wegweiser für Full-Dive-VR

Reki Kawaharas „Sword Art Online“ (seit 2009 als Light Novel, später als Anime adaptiert) entführt uns in eine Zukunft, in der Spieler*innen sich mithilfe eines NerveGear-Helms vollständig in ein MMORPG einloggen können. Dort erleben sie die Fantasy-Welt Aincrad so real, dass sie kaum zwischen Spiel- und echter Welt unterscheiden können. Die Gefahren des Full-Dive-Konzepts – wie der ikonische Plot, dass ein Logout nicht mehr möglich ist – werden eindringlich dargestellt. Gerade diese Mischung aus Faszination und Schrecken hat die Popularität von SAO weltweit gesteigert und eine Debatte rund um Full-Dive-Technologien angestoßen.

Im Kern zeigt SAO, wie grenzenlos VR werden könnte, wenn man Sinneseindrücke wie Sehen, Hören, Fühlen oder sogar Schmecken direkt an das Gehirn übermitteln könnte. Bei SAO wirkt dies durch ein Brain-Computer-Interface (BCI), das Nervenimpulse umleitet. In der Realität sind wir von einer derart ausgereiften Technik jedoch noch einige Entwicklungsschritte entfernt.


Der Status Quo: VR und AR heute

Bevor wir in futuristische Szenarien abdriften, lohnt sich ein Blick auf den aktuellen Stand. Die gängigsten VR-Headsets auf dem Markt (wie Oculus Quest 2 oder HTC Vive Pro) ermöglichen bereits ein beachtliches Eintauchen in virtuelle Umgebungen – mit Head- und Handtracking, solider Bildauflösung und 3D-Audio. Einige Titel wie Beat SaberHalf-Life: Alyx oder das MMORPG Zenith: The Last City (oft als VR-„Aushängeschild“ genannt) liefern dabei erste eindrucksvolle Erfahrungen. Dennoch gibt es noch technische Hürden, insbesondere:

  1. Begrenzte Bewegungsfreiheit: Obwohl Stand-alone-Brillen wie die Quest 2 kein Kabel mehr benötigen, bleibt man auf einen fest definierten Spielbereich angewiesen.
  2. Grafische Leistung: VR fordert hohe Rechenpower, um ruckelfreie, immersive Bildraten zu liefern. Bei Stand-alone-Geräten sind die Prozessoren limitiert.
  3. Komfort und Gewicht: Mehrstündige VR-Sessions können unangenehm werden, da die Headsets noch relativ schwer und wärmend sind.
  4. Motion Sickness: Empfindliche Personen leiden unter Übelkeit, wenn Bewegung in der virtuellen Welt und die tatsächliche Bewegung des Körpers nicht übereinstimmen.

Augmented Reality hingegen ist auf Smartphones bereits weit verbreitet – vom beliebten „Pokémon GO“ bis zu Einrichtungs-Apps, die virtuelle Möbel ins Wohnzimmer projizieren. Auf professioneller Ebene kommen AR-Brillen wie Microsofts HoloLens oder Magic Leap in Unternehmen zum Einsatz, etwa bei komplexen Wartungsarbeiten oder Trainingssimulationen. Doch auch hier haben wir noch kein Massenmarkt-taugliches Produkt gesehen, das alltäglich von Gamern oder Konsumenten benutzt wird.


Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: Der Weg zum Full-Dive

1. Neuartige Steuerung und Brain-Computer-Interfaces (BCI)

Eines der spannendsten Forschungsfelder in Bezug auf SAO-ähnliche Spiele sind Brain-Computer-Interfaces. Diese sollen, ähnlich wie in SAO, Signale direkt an das Gehirn senden oder von dort empfangen. Erste Prototypen existieren bereits: Forschungsinstitutionen wie das Center for Neurotechnology in den USA oder das Fraunhofer-Institut in Deutschland experimentieren seit Jahren mit Elektroden, die Hirnströme messen (EEG) und begrenzte Anwendungsfälle ermöglichen – etwa das Steuern eines Cursors oder eines Rollstuhls per Gedanken. Der nächste Schritt wären invasive Verfahren, wie das von Neuralink (Elon Musks Firma) favorisierte Implantat, das tiefer im Gehirn sitzen und eine höhere Datenerfassung ermöglichen soll.

Was jedoch bisher kaum erforscht ist, ist das Senden von Signalen zurück ins Gehirn, um Sinneseindrücke wie Berührung oder Temperatur realistisch zu simulieren. Hier stoßen wir schnell auf ethische und medizinische Grenzen. Darüber hinaus gibt es Sicherheitsbedenken: Ein versehentlicher Stromimpuls an der falschen Stelle wäre fatal. Realistisch gesehen wird es daher noch Jahre oder gar Jahrzehnte dauern, bis ein sicheres und massentaugliches BCI existiert, das SAOs Full-Dive nachempfinden könnte.

2. Haptik und Ganzkörper-Immersion

Da wir beim BCI noch nicht so weit sind, könnte ein Zwischenschritt das Aufrüsten von VR-Equipment sein. Haptische Handschuhe, VR-Westen und sogar Laufbänder ermöglichen eine deutlich intensivere Wahrnehmung. Firmen wie bHaptics oder Teslasuit bieten Produkte an, die haptisches Feedback auf den ganzen Körper übertragen. In Multiplayer-Spielen kann man so Treffer oder Berührungen spüren. Für MMORPGs ist das durchaus spannend, da Spieler*innen Kampfaktionen oder Zauber hautnah erleben könnten.

Auf der anderen Seite sind solche Komplettsysteme teuer und platzintensiv. Ein Teslasuit kostet mehrere Tausend Euro, was klar außerhalb des Bereichs normaler Privathaushalte liegt. Zudem ist der Markt für MMORPGs im VR-Bereich derzeit noch überschaubar; die Entwicklungsstudios halten sich zurück, weil die Nutzerbasis (verglichen mit PC- oder Konsolen-Gamern) noch nicht groß genug ist, um teure Produktionen zu rechtfertigen.

3. Cloud Computing und 5G/6G

Ein weiterer Aspekt: MMORPGs mit großflächigen Welten und unzähligen Mitspielern stellen hohe Anforderungen an Serverkapazitäten und Datenübertragungsraten. Hier könnte Cloud Computing, kombiniert mit 5G- oder künftig 6G-Netzwerken, den Durchbruch bringen. Die Idee dahinter: Statt einer leistungsstarken, stationären VR-Hardware könnte man via Streaming nahezu unbegrenzt komplexe Spielwelten ins Headset übertragen. Ähnlich wie man jetzt schon Dienste wie GeForce Now oder Xbox Cloud Gaming für PC- und Konsolenspiele nutzt, lässt sich das Prinzip auf VR übertragen.

Dies würde vor allem die Einstiegshürden für Gamer*innen senken, weil sie nicht mehr auf High-End-PCs angewiesen wären. Doch auch hier ist noch unklar, wie man Latenzen (Verzögerungen) minimiert. Gerade bei VR ist jede Millisekunde relevant, damit die Illusion einer anderen Realität nicht gestört wird und keine Motion Sickness entsteht.


Mögliche Zeitachse: Wann könnte es soweit sein?

Eine oft genannte Frage lautet: „Bekommen wir in den nächsten fünf oder zehn Jahren ein Sword Art Online in Reinform?“ Hier ist es wichtig, realistisch zu bleiben. Ein VR-MMORPG, das so intensiv und real wie SAO ist, wäre nur mit signifikanten Fortschritten in zahlreichen Disziplinen (Neurotechnik, Haptik, Software, Hardware) möglich. Tatsächlich gibt es bereits experimentelle VR-MMORPGs, jedoch mit deutlichen Einschränkungen:

  • OrbusVR (seit 2017) oder Zenith: The Last City (seit 2022) zeigen, wie MMORPG-Konzepte grundsätzlich in VR funktionieren. Allerdings basiert die Steuerung weiterhin auf Bewegungscontrollern, die Interaktion mit der Welt bleibt begrenzt. Auch die Anzahl der parallel aktiven Spieler ist relativ gering.
  • Player-Driven Worlds: Während herkömmliche MMORPGs wie World of Warcraft oder Final Fantasy XIV servergestützt laufen, sind bei VR-MMOs die technischen Anforderungen weitaus größer. Es braucht Lösungen für Echtzeit-Bodytracking, umfassendes Spieldesign und hochauflösende Grafik auf kleinem Raum.

Experten wie Dr. Michael Madary von der Universität Tübingen, der sich mit Ethik und Wahrnehmungspsychologie im VR-Kontext beschäftigt, schätzen, dass es mindestens weitere 15 bis 20 Jahre dauert, ehe wir halbwegs risikoarm ins Gehirn eingreifen können (Quelle: Madary & Metzinger, 2016, Real Virtuality: A Code of Ethical Conduct). Eine echte Full-Dive-Technologie wie in SAO dürfte somit eher am Ende dieser Skala oder sogar noch später liegen.


Warum wir uns trotzdem auf die Zukunft freuen können

Trotz aller Skepsis und den vielen Baustellen ist VR und AR jetzt schon ein spannender Sektor, der jährlich wächst. Laut einem Bericht des Marktforschungsinstituts IDC (Quelle: IDC, 2023, Worldwide Augmented and Virtual Reality Spending Guide) soll der VR/AR-Markt bis 2026 ein Volumen von über 70 Milliarden US-Dollar erreichen. Dieser Investitionsschub sorgt für mehr Innovation und sinkende Preise bei Headsets und Zubehör.

Was bedeutet das konkret für Gamer*innen?

  • Immer immersivere Games: Die Grafikqualität und die Gameplay-Mechaniken werden in den kommenden Jahren stetig besser. Spiele wie „Half-Life: Alyx“ haben gezeigt, was heute bereits machbar ist, wenn ein AAA-Studio Ressourcen in ein VR-Projekt steckt.
  • Social VR: Plattformen wie VRChat oder Rec Room beweisen, dass soziale Interaktionen in VR ein starker Treiber sind. Ein MMORPG könnte hiervon stark profitieren, wenn Spieler*innen ihre Avatare anpassen und zusammen Abenteuer erleben.
  • Cross-Reality-Ansätze: Dank AR-Brillen oder AR-Features im Smartphone könnten Spiele entwickelt werden, die nahtlos zwischen realer und virtueller Welt wechseln. So wird beispielsweise überlegt, MMORPG-Elemente in den Alltag zu integrieren, indem Spieler*innen mithilfe ihrer AR-Brille bestimmte Quests in der realen Umgebung abschließen.

Realistische Einschätzung: Ein geerdeter Blick auf SAO

Selbst wenn wir in 20 Jahren zuverlässige Neuro-Implantate und haptische Ganzkörperanzüge hätten, würde ein SAO-ähnliches Game noch an weiteren Faktoren scheitern:

  1. Ethische und rechtliche Fragen: Wer haftet, wenn eine Fehleingabe im Gehirn eine Person gesundheitlich schädigt? Welche Sicherheitsvorkehrungen gibt es gegen Hackerangriffe?
  2. Massenmarkt-Verträglichkeit: Ein Full-Dive-System im Stil von NerveGear müsste nicht nur funktionieren, sondern auch bezahlbar, komfortabel und legal abgesichert sein.
  3. Konservative Spielerschaft: Nicht alle Menschen möchten so tief in eine andere Welt eintauchen. Die Bereitschaft, sich in diesem Ausmaß in den Körper und Geist „eingreifen“ zu lassen, dürfte begrenzt sein.

Wir können jedoch mit großer Wahrscheinlichkeit sagen, dass der Trend in Richtung immer intensiverer, immersiverer Spiele geht. Das heißt, auch wenn wir kein „Sword Art Online“ im wortwörtlichen Sinne bekommen, werden VR- und AR-Systeme uns Spieleerlebnisse bieten, die wir uns heute kaum vorstellen können. So wie sich Smartphones vor 20 Jahren noch futuristisch anfühlten, könnte in 20 Jahren eine AR-Brille oder ein leichtes VR-Headset vollkommen normal sein.


Weiterführende Quellen und Leseempfehlungen

  1. Madary, M. & Metzinger, T. (2016). “Real Virtuality: A Code of Ethical Conduct”.
    Frontiers in Robotics and AI, 3.
    • Wissenschaftlicher Artikel, der sich mit den ethischen Aspekten von VR und potenziellen Full-Dive-Anwendungen beschäftigt.
  2. IDC (2023): “Worldwide Augmented and Virtual Reality Spending Guide”
    • Marktprognosen und Analysen zu den Investitionen im VR/AR-Sektor.
  3. Neuralink (offizielle Website):
    • Gibt Einblicke in den aktuellen Stand der Gehirn-Implantat-Forschung. Zwar nicht primär auf Gaming fokussiert, aber spannend, um den Entwicklungsstand von Brain-Computer-Interfaces zu verstehen.
  4. “Sword Art Online” Light Novels von Reki Kawahara (ab 2009), Anime-Adaption (2012–heute):
    • Der beste Weg, sich selbst ein Bild zu machen, warum diese Serie den Full-Dive-Traum so populär gemacht hat.
  5. Gaming-Newsportale wie “UploadVR” und “VRFocus”:
    • Laufende Berichterstattung über neue VR/AR-Headsets, Zubehör und Spieleveröffentlichungen.

Fazit

Die Vorstellung, eines Tages wie Kirito aus Sword Art Online vollständig in eine MMO-Fantasy-Welt einzutauchen, bleibt eine faszinierende Vision. Doch so verlockend „Full Dive“ sein mag, die technologischen und ethischen Hürden sind noch gewaltig. Nichtsdestotrotz sehen wir, wie VR- und AR-Systeme rasant an Fahrt aufnehmen. Schon heute gibt es erste VR-MMORPGs, die zumindest einen Vorgeschmack liefern, was in Zukunft möglich sein könnte. Vor allem der Bereich der Haptik, die Weiterentwicklung der Headsets hin zur Kabelfreiheit, eine stärkere Prozessorleistung und mögliche Durchbrüche in der Neurotechnik lassen die Idee von SAO-ähnlichen Spielen nicht mehr völlig utopisch erscheinen.

Realistisch bleibt jedoch: Ein echtes NerveGear, das alle körperlichen Signale kappt und eine eigene Wirklichkeit erzeugt, ist in den nächsten Jahren nicht zu erwarten. Vielmehr werden wir stufenweise Verbesserungen erleben – verbesserte Controller, neue Formen des Ganzkörper-Trackings, feinere haptische Feedbacksysteme und vielleicht irgendwann nicht-invasive BCIs, die unsere Bewegungen noch genauer lesen können. Bis wir tatsächlich sagen können, „Logout-Button ist deaktiviert, du bist jetzt in einem VR-Dungeon gefangen“, braucht es aber noch mehr Zeit – und wohl eine ganze Revolution in der Medizin und Neuroinformatik.

Der Weg hin zu mehr Immersion ist dennoch spannend, und gerade als Gamingjournalist freue ich mich auf die kleinen und großen Fortschritte, die uns erwarten. Wer weiß, vielleicht schreiben wir in ein paar Jahren über eine VR-Erweiterung, die ein „Sword Art Online“-ähnliches Feeling schafft, wenn auch (hoffentlich) ohne potenzielle Lebensgefahr. Bis dahin bleiben VR und AR jedoch primär coole Technologien, die uns Spiele auf eine neue Art erleben lassen. Und das ist ja schon etwas, das uns Gamer*innen stets antreibt: das Streben nach neuen Horizonten und packenden Abenteuern – ob in Fantasywelten oder in der futuristischen Science-Fiction.

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