Im Gespräch mit … Dieter Klein

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Ein Gespräch mit Dieter Klein. In einem meiner vorherigen Artikel habe ich Dieter Klein und sein Projekt bereits kurz vorgestellt. Diesbezüglich konnte ich Herr Klein exklusiv interviewen und einige Fragen zu seiner Person und dem Projekt „Forest Punk goes America“ stellen. Ich wünsche ihnen viel Spaß beim lesen des Interviews und viele einzigartige und spannende Informationen.

Glu3:
Vielen Dank, Herr Klein, dass Sie sich die Zeit für meine Fragen genommen haben.
Seit 30 Jahren sind sie ja hauptberuflich als Fotograf auf Achse! Wie hat sich denn ihre Leidenschaft für die Fotografie entwickelt.

Dieter Klein:
Mein Berufswunsch war damals dreigeteilt: Grafiker, Pianist oder Fotograf. Die Fotografie hat sich durchgesetzt. Ich habe ein Kunststudium in der Fotoklasse an der ehemaligen Kölner Werkkunstschule absolviert. Einige Jahre habe ich fast ausschließlich für Zeitschriften und Magazine fotografiert. In den 90er-Jahren verlegte ich mich mehr auf Werbefotografie. Zunächst im Bereich von Investitionsgütern wie Medizintechnik oder Schweißtechnik. Porträts machte ich für verschiedene Fachmagazine und Publikumszeitschriften. Schauspieler, Geschäftsleute, aber auch illustrative Porträts medizinischer Themen. Künstlerische Fotografie (Arbeiten ohne Auftrag): einer langen Leidenschaft frönte ich mit Stilllebenfotografie. Meine Objekte waren Fundstücke des Alltagslebens. Ein befreundeter Museumsleiter stellte mir tausende Objekte aus der Sammlung eines Museums für Alltagsgeschichte zur Verfügung. Die gesammelten Erfahrungen mit den unterschiedlichen Themen brachten mich vor ca. 10 Jahren auf die Idee, Stadtporträts in Buchform zu produzieren.

Glu3:
Sie haben ja schon zahlreiche tolle Bücher und Bildbände verlegt. Haben Sie im Laufe der Zeit ihren Schwerpunkt auf Autofotografie verlegt? Auch wenn es sich hierbei um eher untypische Aufnahmen handelt. *lacht*

Dieter Klein:
Zwar haben mich Design und Ausführung historischer Fahrzeuge immer angesprochen, aber Autos haben mich nicht sonderlich interessiert. Ausschlaggebend war der Fund eines ca. 80 Jahre alten Citroëns „Rosalie“ aus dem Jahre 1937, mitten in einem Holunderbusch im französischen Aquitaine. Diese traumhafte, märchenhafte Szenerie hat mich gefesselt, das Ergebnis dieses Wandlungsprozesses hat mich nicht mehr losgelassen. So etwas hatte ich noch nie gesehen – die Szene, die ich dort sah, faszinierte mich auf eine merkwürdige Weise.  Was hatte die Natur mit diesem Fahrzeug angestellt? Holt sie sich alles zurück? Viele Jahrzehnte hatte diese Szenerie wohl niemanden gestört und nun vermittelt sie uns etwas Rätselhaftes und Traumähnliches. Die Faszination dieses Wandlungsprozesses hatte mich ergriffen. Nachdem ich weitere Orte mit solchen Objekten gefunden hatte, stellte sich immer wieder dieses seltsame Gefühl der Nähe und Faszination ein. Eine Mischung aus Freude und traumähnlicher Atmosphäre machte sich bemerkbar. Das Rauschen der Wälder, vereinzelte Vogel- und Tierstimmen trugen dazu bei, diese Empfindung zu intensivieren. Fragen stiegen in mir auf: Wer hatte die Fahrzeuge hier abgestellt? Wem haben Sie einmal gehört? Warum stehen sie seit Jahrzehnten unberührt im Wald? In meiner Vorstellung begannen die Menschen, die mit diesen Automobilen fuhren, Gestalt anzunehmen. Welche Dialoge fanden auf diesen Sitzen statt? Wie viel Lebendiges, Freude und Leid wurde in diesen Mobilen transportiert?

Und nun standen diese Pioniere der Beweglichkeit sonderbar still und unbewegt da. Eine fremde Stimmung und merkwürdige Berührtheit erfasste mich zusehends. Ich vergaß Raum und Zeit und fotografierte ununterbrochen. Ein Bild ergab sich und das nächste wartete schon. Viele dieser Orte sind bereits geräumt – für immer verloren im Unsichtbaren. In meinen Bildern lasse ich die Automobile nicht nur über ihre Zeit hinaus leben, sondern zeige auch die Szenerien des in-der-Zeit-Versinkens.  Ich betrete eine gewissermaßen zerbrochene und gleichzeitig zerbrechliche Welt. Diese kleinen, kurzen Ewigkeiten fotografieren zu können, ist für mich ein Geschenk.

Glu3:
Für Ihr neuestes Projekt – Forest Punk goes America – bauen Sie auf die Erfahrung mit Forest Punk I auf. In diesem überwältigenden Bildband reisen Sie auf der Suche nach „Oldtimer-Schrottplätzen“ quer durch Europa. Jetzt zieht es Sie nach Amerika! Worin sehen Sie denn den Unterschied zwischen diesen beiden Welten?

Dieter Klein:
Im März 2014 erhielt in einen Hinweis, dass in Enid, Oklahoma, 250 Fahrzeuge eines Schrottplatzes mit einer Auktion verkauft würden. Das Besondere: der Platz wurde bereits 1953 geschlossen. Da habe ich gleich beschlossen, dass ich mir das ansehen, das heißt fotografieren werden. Recherchen ließen mich weitere Plätze finden und so wurde daraus eine 5000 Meilen Reise durch 7 Bundesstaaten. Ich startete im Mittleren Westen und fuhr weiter Richtung Westen. Das wüstenähnliche Klima in New Mexico und Arizona hinterlässt ganz andere Verwitterungen als das europäische. Auch waren die Fahrzeuge kaum ausgeschlachtet, immer wieder fand ich Szenerien, als wäre die Zeit stehengeblieben. Und vor allem, es gibt eine sehr große Anzahl von Fahrzeugen. Das gibt es in dieser Weise in Europa nicht.

Glu3:
Darwin spricht ja von natürlicher Auslese, meinen Sie, dass man bei den von Ihnen in Szene gesetzten Autofriedhöfen ebenfalls davon sprechen kann?

Dieter Klein:
Wir sprechen hier über menschengemachte Technik, die fortentwickelt wird. Die Fahrzeuge sind Relikte wirtschaftlich starker Epochen. In Deutschland wird seit mindestens drei Jahrzehnten recycelt. Szenen wie in den USA gibt es bei uns nicht oder nicht mehr. Ich glaube, es ist eine Mischung aus: ausreichend Platz, einer gewissen Gleichgültigkeit, aber in einzelnen Fällen wird das ausrangierte Auto als Teil der Familiengeschichte aufbewahrt. Auch wenn das Auto immer wieder als des Deutschen „Liebstes Kind“ bezeichnet wird, so scheint mir, dass in den USA das Auto zwar Gebrauchsgegenstand ist, aber es trägt die Ideale von Freiheit, deren Teil die Mobilität ist.

Glu3:
Unter denen von Ihnen fotografierten Fahrzeugen sind sicherlich auch wahre Schätze dabei! Würden Sie nicht am liebsten das ein oder andere Fahrzeug mitnehmen und ihm wieder Leben einhauchen?

Dieter Klein:
Nein, ich bin kein Autonarr und erst recht kein „Schrauber“, der am Wochenende unterm Auto liegt. Sicherlich sind da viele wunderschöne Designklassiker dabei, die restauriert ihre Zeit dokumentieren und Freude bereiten. Man kann sie aber auch einfach der Zeit überlassen und ihr das Vergehen gewähren.

Glu3:
Wenn Sie für Ihr neues Bildband in den USA weitere Fahrzeuge ablichten, dann werden sicherlich nicht viele davon in einer bewaldeten Umgebung sein. Oder wie hat man sich den Arbeitstitel „Forest Punk goes America“ genau vorzustellen?

Dieter Klein:
Bei meiner kommenden Reise werde ich in Seattle, Washington, starten. Dort habe ich bereits einen Platz recherchiert, der z.B. dem schwedischen Platz ähnelt. Doch sind die Unterschiede gewaltig, weil das Land so groß ist. Die Strecke zwischen Seattle im Westen und Maine im Osten ist genauso weit wie von Berlin nach Kabul in Afghanistan. Da gibt es alle Arten von Landschaften und Klimazonen.

Ich werde auch Porträts mit einbeziehen, damit der Leser auch die „story behind“ erfährt. Ich möchte ein Bild Amerikas vorstellen wobei das Auto als Symbol von Mobilität und Freiheit die Hauptrolle spielt. Meine Autos fahren halt nicht mehr.

Glu3:
Sie werden voraussichtlich 6 Wochen in Amerika unterwegs sein. Sind Sie auf dieser Tour ganz auf sich gestellt?

Dieter Klein:
Im Wesentlichen: ja. Ich habe nur gute Erfahrungen im vergangenen Jahr gemacht. Das Autofahren ist so viel entspannter als hier. Die Freundlichkeit der Menschen ist großartig. Sollten einige Aufgaben zu aufwendig werden, werde ich einen Assistenten buchen, der mir zur Hand geht.

Glu3:
Wie finanzieren Sie dieses Projekt? Aus eigener Tasche? Sponsoren oder Partner?

Dieter Klein:
Bisher finanziere ich das Projekt selbst. Über ein Crowdfunding versuche ich einen Teilbetrag zu erhalten und ich bin im Gespräch mit einem Sponsor, denn inzwischen ist der Finanzbedarf für eine solche Unternehmung auf eine hohe fünfstellige Summe angewachsen.

Glu3:
Planen den bereits jetzt schon weitere Projekte? Und wo wird es Sie denn in dann hinverschlagen

Dieter Klein:
Inzwischen habe ich viele Insiderinformationen, meist Leser des ersten Buches, über weitere, nicht öffentliche Plätze erhalten. Damit könnte ich einen dritten Bildband bestücken. Reisen nach Frankreich, Tschechien, Italien, aber auch Südafrika, Namibia, Argentinien und Uruguay. Aber: eins nach dem anderen.

Glu3:
Dann danke ich Ihnen recht herzlich für dieses Interview und wünsche Ihnen auf Ihrer Reise viel Erfolg.

© Dieter Klein

 

Das Interview gibt es auch als PDF zum Download!

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